Helfen Luftreiniger gegen Corona?

Mit Freunden zu Hause – das ist in Zeiten von Corona kein harmloses Vergnügen. Können Luftreiniger helfen und was bringen Lüftungsanlagen? Auch wenn das neuartige Coronavirus noch immer mehr Fragen als Antworten aufwirft, gilt eines als sicher: In geschlossenen Räumen steigt das Ansteckungsrisiko.

Über die Sommermonate haben Picknicks im Park oder Spaziergänge im Wald Gelegenheit geboten, Freunde und Familie persönlich zu treffen. Mit dem Herbst dürfte sich das ändern, zumal Mitteleuropäer Stubenhocker sind. Im Durchschnitt verbringen wir 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen. Was viele aber nicht wollen, ist ein Sozialleben, das sich auf Zoom-Treffen beschränkt. Doch lässt sich Infektionsschutz mit dem Wunsch vereinbaren, zu Hause wieder Gäste zum empfangen?

Viele versprechen sich Rettung durch Luftreiniger. Die waren schon während des Abgasskandals als helfende Saubermänner im Einsatz. Doch Coronaviren sind kleiner als jedes Feinstaubpartikelchen, ihre gesundheitlichen Auswirkungen unmittelbarer. Trotzdem werben zahlreiche Hersteller mit dem Versprechen, dieses Problem mit den gleichen technischen Mitteln zu lösen. Zu Recht?

Was hat es mit den Aerosolen auf sich?

An jedem Tag atmen wir zehn bis zwanzig Kubikmeter Luft ein. „Deshalb ist es wichtig, dass Vorkehrungen getroffen werden, die eine gute Innenraumluftqualität sicherstellen“, schreibt der Ausschuss für Innenraumrichtwerte des Umweltbundesamtes. Das gilt umso mehr, seit bekannt ist, dass ein zentraler Übertragungsweg von Sars-CoV-2 über Aerosole verläuft, und die können in Innenräumen schneller eine kritische Konzentration erreichen als draußen, wo sie sich in der Umgebungsluft verdünnen. Angeheftet an kleinste Luft- und Wasserpartikelchen, entlassen wir die Viren vom Rachen in den Raum, wenn wir sprechen, niesen, husten, singen oder lachen. Je leichter und kleiner die Aerosole sind, desto länger schweben sie in der Luft. Größere Aerosole fallen nach wenigen Sekunden zu Boden, kleinere wabern einige Stunden auf Gesichtshöhe durch die häuslichen Flure. Die ersten ein bis zwei Stunden davon können die Viren ansteckend sein – je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der Wohnung.


Die Frage, ob überhaupt technische und teure Hilfe nötig ist, um einer Ansteckung zuvorzukommen, hängt vor allem von den eigenen Gewohnheiten ab. Wer stets unter sich bleibt, braucht keine Aerosole am Küchentisch zu filtern. Doch wer auf Besuch nicht verzichten mag, in einer WG oder einem Wohnheim lebt, in dem Leute kommen und gehen, sollte sich Gedanken über die häusliche Luftqualität machen. Ganz genau können Aerosolforscher noch nicht beziffern, wie lange man sich mit einer erkrankten Person drinnen unterhalten muss, um sich selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit anzustecken. Doch nach Einschätzung der Fachleute reichen wohl wenige Minuten aus.


Lassen sich die winzigen Viren überhaupt filtern?

Ein einzelnes Virus misst nur etwa 0,12 Mikrometer, doch es bewegt sich nicht allein durch den Raum, sondern ist in Aerosolen gebunden – und die sind groß genug, um im passenden Filtermedium hängen zu bleiben. Letztlich funktioniert das nach dem gleichen Prinzip wie beim Kaffeefilter. Die Poren des Filters müssen kleiner sein, als es ein einzelnes Mehlkorn des Kaffees ist. Die Mechanik ist gleich, nur die Größenordnung eine andere. Egal welcher Luftreiniger auf dem eigenen Wunschzettel steht: Der verbaute Filter muss ein Hepa-Modell sein, am besten der Klasse H14. Hepa steht für High Efficiency Particulate Air, H14 für den sogenannten Abscheidegrad, der in dieser Klasse 99,995 Prozent beträgt. Werden die Aerosole angesaugt, bleiben sie im Filter hängen, den Rest der gereinigten Luft pustet das Gerät ins Zimmer zurück, falls es sich um ein kompaktes, mobiles Gerät handelt. Zuweilen ist innerhalb des Gehäuses noch eine UV-C-Lampe verbaut. Diese bestrahlt den Filter und ist so etwas wie eine zweite Sicherheitsschleuse, weil die spezifische Wellenlänge dieser Strahlen Viren innerhalb kurzer Zeit unschädlich macht. Wichtig ist aber, dass sie fest verbaut ist und nicht auf Haut oder Augen leuchtet.

Schützen Luftfilter zu Hause vor einer Infektion mit Sars-CoV-2?

Dass Hepa-Filter mehr als 99 Prozent der Viren abscheiden, heißt nicht, dass sich die Virenlast in einem Zimmer automatisch um den gleichen Wert verringert. Entsprechende Geräte können sie aber reduzieren. Diesen Nachweis hatte im August eine Studie der Universität der Bundeswehr München gebracht. Allerdings hat sich die Empfehlung der Wissenschaftler auf Schulen, Büros, Arztpraxen oder Restaurants bezogen – nicht auf private Wohnungen und Häuser. So ist der Luftreiniger, mit dem die Studie durchgeführt wurde, ein Modell, dass sich auch nicht wirklich ins Wohnzimmermobiliar integrieren will. Fast 90 Kilo schwer, 130 Zentimeter hoch, 54 Dezibel laut und mehr als 4200 Euro teuer.


Selbst beim Hersteller Trotec, der den getesteten „TAC V+“ baut, warnt Geschäftsführerin Alexandra Goertz vor falschen Hoffnungen. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass übliche Luftreiniger für Privathaushalte – weder die eigenen Modelle noch die der Konkurrenz – vor einer direkten Übertragung der Viren schützen können. Die Geräte seien sinnvoll, um Schmutz, Pollen oder Staub zu beseitigen. „Luftreiniger für zu Hause können noch das Gleiche wie vorher, nicht mehr und nicht weniger“, teilt Goertz mit. Ein solches Modell gibt es bei Trotec beispielsweise für 150 Euro, es filtert maximal 180 Kubikmeter Luft pro Stunde, beim Testmodell der Münchner Forscher waren es 1500. Diese Luftmenge reicht nicht, wenn eine erkrankte Person mit am Tisch sitzt und die Ansteckung eine Sache von Minuten sein kann.

Noch gar nicht eingerechnet ist dabei, wie groß der Raum ist, wie viele Personen anwesend sind, ob sie sitzen oder sich durch den Raum bewegen und Luftströme verwirbeln, ob der Reiniger in der richtigen Höhe und an der besten Wand aufgestellt wurde. Ohne professionelle Hilfe vor Ort können Laien kaum einschätzen, welchen Beitrag der Luftreiniger zum Infektionsschutz im Haus leistet.

Wie oft muss man den Filter tauschen?

Wie lange ein Filter seine Arbeit machen kann, hängt davon ab, wie verschmutzt die Luft ist. In den Lüftungsanlagen von Passivhäusern steht ein Wechsel des Filters für die Außenluft alle zwei bis drei Monate an. Bei den kleineren mobilen Geräten kann es auch mal ein halbes Jahr dauern. Wer seine Wohnung mit Hunden und Katzen teilt, muss häufiger tauschen. Viele Geräte zeigen ihrem Nutzer an, wenn es so weit ist. Schleifen lassen sollte man diese Wartungsarbeit nicht. Nicht nur, weil das Gerät dann schlechter arbeitet, sondern weil sich auf dem Filtermedium mit der Zeit Schimmel oder Bakterien bilden können, die die Raumluft verschlechtern, anstatt sie zu verbessern.


Welche Geräte sollte man meiden?

Luftreiniger, die ausschließlich auf UV-C-Technik setzen, also keinen Filter verwenden, sollten nicht erste Wahl sein. Zum einen, weil Prüflabore wie der TÜV Süd grundsätzlich davon abraten, die Strahlung in die privaten vier Wände zu bringen, wo nicht sicher ist, ob sie mit der nötigen Vorsicht bedient werden. Zum anderen, weil bei dieser Technik entscheidend ist, wie lange die Luft an der Leuchtröhre vorbeiwabern kann. Ein kurzer Luftzug reicht nicht aus, je nach Modell braucht es eher eine Zeitspanne zwischen 30 Sekunden und wenigen Minuten. Bei einem 30 Quadratmeter großen Zimmer kann es also dauern, einmal die ganze Raumluft durchzuschleusen. Nicht ratsam sind auch Reiniger, die mittels sogenannter Ionisation die Luft desinfizieren. Die Technik funktioniert, doch sie hat eine entscheidende Nebenwirkung: Es kann Ozon entstehen, ein ziemlich reaktionsfreudiges Gas, das zu zahlreichen gesundheitsschädlichen Nebenprodukten im Haus führen kann.

Lüftungsanlagen, die Frischluftansaugen, tragen zwar zur Innenraumhygiene bei. Im Kampf gegen Viren wirken sie aber nur minimal.
Wie wirken integrierte Lüftungsanlagen?

Nicht nur Passivhäuser, die auf ihre luftdichte Hülle angewiesen sind, setzen auf autarke Lüftungsanlagen. Sie bringen stetig frische Luft von außen ins Haus und leiten die alte Innenraumluft raus. Fenster muss theoretisch niemand mehr öffnen. Auch im gewöhnlichen Neubau sind Belüftungsanlagen zunehmend gefragt. Carsten Dittmar vom Interessenverband Wohnungslüftung e.V. erklärt, dass einige Bauträger gar keine Neubauten mehr ohne eine entsprechende Anlage bauten. Für eine Dreizimmerwohnung müssen Kunden mit 1200 bis 1500 Euro rechnen, wenn sie auf eine Wärmerückgewinnung verzichten. Die inklusive, was aus energetischer Sicht zu empfehlen ist, stehen 5000 bis 8000 Euro auf der Rechnung.

Doch Dittmar sagt, dass es bei diesen Systemen nicht um Virenabwehr gehe, sondern um Feuchtigkeit, Schimmel, Gerüche und abgestandene Luft. Die Anlagen filtern zudem nicht die Innen-, sondern die Außenluft, die von Feinstaub oder Pollen befreit wird, bevor sie ins Haus strömt. Zudem reicht die sogenannte Luftwechselrate einer haushaltsüblichen Belüftungsanlage nicht, um zu garantieren, dass das Ansteckungsrisiko wirklich sinkt. Üblicherweise liegt die Rate bei 0,5. Etwa alle zwei Stunden ist die Innenluft also einmal komplett durch Außenluft ersetzt. Für den Alltag genügt das, nicht aber, wenn ein Gast mit einer Corona-Infektion am Esstisch plaudert, in die Küche, ins Bad und wieder zurück läuft.


Wer im Winter für einen angemessenen Wechsel der Raumluft sorgen will, sollte sich an die Empfehlung der Kommission für Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes halten: Lüften, lüften, lüften. Und zwar mit weit geöffneten Fenstern, etwa fünf bis 15 Minuten. Das sieht auch Carsten Dittmar so: „Allein wegen des Temperaturunterschieds hat ein zum Stoßlüften geöffnetes Fenster im Winter den besseren Effekt.“

Eine Wohnung, die dank einer Belüftungsanlage Frischluft bekommt, ist dennoch besser als eine ohne stetigen Luftaustausch. Gerade bei fröstelnden Lüftungsmuffeln. Darin unterscheiden sich Belüftungs- auch von Klimaanlagen, die die Raumluft lediglich umwälzen und im Verlauf der Pandemie bisher eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Letztlich gilt: Viel hilft viel. Auf eine Maßnahme allein sollte man sich nicht verlassen. Erst recht nicht, wenn durch einen kleinen Luftreiniger oder eine Belüftungsanlage ein Gefühl falscher Sicherheit entsteht und Gäste und Gastgeber nicht mehr darauf achten, Abstand zueinander zu halten. Das eine ersetzt das andere nämlich nicht.

Quelle: faz